Wandel im Wohnzimmer: Das Verschwinden der Stereoanlage

Wandel im Wohnzimmer: Das Verschwinden der Stereoanlage

Ein spannender Generationswechsel ist in Wohnzimmern zu beobachten. Während sich moderne Technik und Pantoffelkino einträchtig zu den Siegern zählen dürfen, gibt es einen großen Verlierer. Die Stereoanlage, wie sie über Jahrzehnte hinweg genutzt und geschätzt wurde, hat ihren Statussymbol-Charakter längst verloren. Doch nicht nur das: Neue Technik verändert auch die Art und Weise, die Menschen mit der „Ware Musik“ umgehen.

Die Stereoanlage: Eine kleine Zeitreise

Wer noch vor den Fünfzigerjahren geboren wurde, konnte bis heute den gesamten Lebenszyklus der Stereoanlage miterleben. Musiktruhen in den Fünfzigern nämlich waren die ersten Vorfahren der Anlagen, die später mehr können sollten. Damals aber mussten sich Verbraucher mit monophonem Ton begnügen. Stereophone Geräte und Medien kam erst zum Ende des Jahrzehnts in den Handel und beim Rundfunk in Westdeutschland wurde ab 1963 stereophon gesendet. Das Radio also führte Musikfans zum ersten Mal vor „Ohren“, dass Stereo sehr viel mehr kann als Mono. In aller Konsequenz steig die Nachfrage nach stereofähigen Endgeräten. Sie konnten Schallplatten abspielen, Radio empfangen und verfügten teilweise auch über ein Tonbandgerät.

Groß und teuer: Stereoanlagen waren über Jahrzehnte hinweg wichtige Statussymbole. (Quelle: Webster2703 (CC0-Lizenz)/ pixabay.com)

Groß und teuer: Stereoanlagen waren über Jahrzehnte hinweg wichtige Statussymbole. (Quelle: Webster2703 (CC0-Lizenz)/ pixabay.com)

Der moderne Wandel hielt in den späten Sechzigerjahren Einzug in die Welt der Stereoanlagen. Jetzt war die Zeit reif für riesige Kombigeräte, die mit zwei Lautsprechern daherkamen. Auch Innenleben und Technik veränderten sich. Zu den genannten Komponenten gesellten sich auch Kassettendecks und Verstärker. In den Achtzigern dann schlug die Stunde der HiFi-Türme. Sie waren dennoch so riesig, dass sie in vielen Haushalten als Möbelstück aufgestellt wurden. Leisten konnte sich diesen Luxus indes nicht jedermann, denn Stereoanlagen waren damals richtig teuer. Häufig wurde für die Anschaffung ein aufgenommen, denn nur wenige Personen konnten sich solch eine Summe zusammensparen.

Auch nach den Achtzigern hatte die Stereoanlage noch nicht ausgedient. Jetzt verfügte das Statussymbol über CD-Spieler und die Option, sie mit Fernsehern oder auch Videorekordern zu verknüpfen. Spätestens mit dem Jahrtausendwechsel dann läutete die Industrie das Zeitalter der modernen Heimkino-Anlagen ein. Ab diesem Punkt aber vollzog sich ein derart rasanter Wandel und Fortschritt, mit dem Stereoanlagen langfristig nicht mehr mithalten konnten. War die CD noch kompatibel, sorgte die Erfindung des MP3 Formats für sinkende Beliebtheit der Stereoanlage.

Warum Stereoanlagen heute nicht mehr zeitgemäß sind

Zeitgemäß ist also kein Adjektiv, das sich heute in Bezug auf Stereoanlagen nutzen lässt. Das Interesse in der Bevölkerung an diesen Geräten ist beträchtlich gesunken. Sogar belegt das. Hier gaben 23,69 Prozent der Befragten an, überhaupt kein Interesse an Informationen zu Stereo- oder HiFi-Anlagen zu haben. 20,33 Prozent bezeichneten sich als kaum interessiert und 20,05 Prozent konnten immerhin etwas Interesse bekunden.Warum aber ist das so?

Einer der Hauptgründe für die Verdrängung der Stereoanlagen aus heutigen Wohnzimmern ist die moderne Technik. Es braucht schlichtweg keine großen Anlagen mehr, um Musik zu hören. Und auch wenn Schallplatten inzwischen eine wahrhaftige Rennaissance erleben, sinkt der Absatz im Bereich CD rasant. Hierüber berichtete bereits im Jahr 2015 auch die Welt: „Im vergangenen Jahr nahm die Branche erstmals mehr mit digital verkaufter oder verliehener Musik ein als mit CD-Verkäufen.“ (Quelle: )

Drahtlose Lautsprecher haben der klassischen Stereoanlage viel voraus. (Quelle: StockSnap (CC0-Lizenz)/ pixabay.com)

Drahtlose Lautsprecher haben der klassischen Stereoanlage viel voraus. (Quelle: StockSnap (CC0-Lizenz)/ pixabay.com)

Einen echten Ausweg aus der Misere finden Hersteller von Stereoanlagen nicht. Die Beliebtheit der großen Geräte sinkt und zeitgleich explodiert das Interesse der Bevölkerung an deutlich flexibleren Möglichkeiten. Ganz oben auf der Liste der größten Konkurrenten stehen drahtlose Systeme. Sie lassen sich per W-Lan oder Bluetooth mit dem Internet oder einem Speichermedium verbinden und können Musik praktisch überall zugänglich machen. Mit Musik-Streaming gekoppelt ergibt sich für den Verbraucher eine nie gekannte Vielseitigkeit. Lautsprecher, die sich per Multiroom-Funktion in jedem Raum einzeln oder auch gemeinsam steuern lassen, sind die Stereoanlagen der Moderne.

Weiter an Boden verliert die klassische Anlage auch dank intelligenter Assistenten wie Amazons Alexa oder Google Home. Längst können sie Online Radio abspielen, sich mit unterschiedlichsten Streaming-Diensten verbinden und in jedem Raum des Hauses per Sprache oder App steuern lassen. Dass die Hersteller auch im Bereich Klangqualität ihre Hausaufgaben gemacht haben, beweisen moderne Lautsprecher, die trotz ihrer geringen Größe für ausgewogenen Klang sorgen.

Ware Musik: Tschüss Stereoanlage, hallo Schnelllebigkeit

Letztlich also ist es eine logische Konsequenz des technologischen Wandels, dass Stereoanlagen zunehmen von der Bildfläche verschwinden. Sie lassen sich nicht spontan mit ins Badezimmer oder den Urlaub nehmen und verfügen über einen Funktionsumfang, der heute kaum mehr in Anspruch genommen wird. Streaming löst CD ab und Online Radio lässt den klassischen UKW-Empfänger alt aussehen.

Eine CD legen heute nur noch die wenigsten Menschen regelmäßig ein. (Quelle: Bru-nO (CC0-Lizenz)/ pixabay.com)

Eine CD legen heute nur noch die wenigsten Menschen regelmäßig ein. (Quelle: Bru-nO (CC0-Lizenz)/ pixabay.com)

Was aber passiert mit der Musik an sich? Vieles bleibt gleich. So wissen Frauen, Männer und Kinder, dass ein Leben ohne Musik schlicht langweilig und eintönig wäre. Musik macht uns glücklich, das belegt auch die Wissenschaft. Wie glücklich der einzelne Mensch aber ist, entscheidet er heute selbst. Sich mit Mainstream-Radiosendern zufriedenzugeben, erscheint nicht sinnvoll, denn deren Angebot ist nicht auf die individuellen Wünsche des Einzelnen ausgelegt. Individualität aber ist genau das, was sich der Mensch wünscht.

Das aber führt zu einer Form des Musik-Konsums, der Genuss und Muße in Gefahr bringt. Die breite Verfügbarkeit nahezu unendlich vieler Songs und Alben macht den Hörer wählerisch. Und hat er sich an einem Interpreten „satt gehört“, wird kurzerhand ein neuer gesucht. Sich mit der Musik wirklich auseinanderzusetzen und ein und demselben Lied über Wochen hinweg etwas abgewinnen zu können: Unvorstellbar. Der Untergang der Stereoanlage also ist nicht nur ein Zeichen für den voranschreitenden technischen Wandel, sondern auch für die sinkende Bedeutung, die Musik als Kunstform genießt. Gut hat es da, wer sich dennoch Auszeiten gönnen und wie früher im Sessel seine Lieblingslieder immer und immer wieder genießen kann.

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