Wenn Dieter Bohlen in seiner Hitschmiede „Deutschland sucht den Superstar“ den Siegersong schreibt, weiß er zu diesem Zeitpunkt nicht, wer ihn singen wird. Möglich ist das, durch eine immer wiederkehrende Struktur bei Pop-Songs. Erst die spätere Stimme führt zur Individualität, das Musikkonzept selbst ist austauschbar.
Schauen wir uns an, was bei Songs immer gleich bleibt und warum es regelmäßig zu Plagiatsvorwürfen kommt.
Wie aus vier Akkorden unendlich viele Songs werden
The Axis of Awesome haben mit ihrem Song “4 Chords” für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Band hat aus einer harmonischen Tonfolge mit vier Akkorden ein Potpourri der bekanntesten Pop-Songs zusammengestellt und gezeigt, dass sie allesamt miteinander harmonieren. Als Grundstruktur wurden die Akkorde „A-Dur, D-Dur, B-Moll und G-Dur“ genutzt, mehr braucht es nicht für phonetische Harmonie.
Das Phänomen wird auch als „Millennial Whoop“ bezeichnet, eine Tonfolge, die bei den bekanntesten Pop-Songs immer wieder zu hören ist. In Spanien wurden über 400.000 Aufnahmen aus den vergangenen 50 Jahren untersucht.
Im Fokus standen die „Pitch Transitions“ oder zu Deutsch die abwechslungsreichen Elemente in den Hits. Das Ergebnis war niederschmetternd. Die Melodie hinter den zahlreichen Songs wich kaum voneinander ab. Die Vielfalt der Instrumente sinkt, dabei nähern sich die Notenabfolgen immer stärker aneinander an.
Der Millennial Whoop fördert die Gleichheit und Eintönigkeit von Hits
Dass Pop-Songs „einfach“ strukturiert werden, liegt nicht zuletzt am Wunsch nach Eingängigkeit. Wir alle kennen das Phänomen des Ohrwurms, den wir nicht mehr aus den Gedanken bekommen.
Komplexe Tonfolgen würden genau das Prinzip erschweren, da das Gehirn länger Zeit braucht, um sie abzuspeichern. Was aber hat es nun mit diesem Millennial Whoop auf sich? Er bezieht sich nicht auf die genutzten Akkorde, sondern auf die gesungenen Töne der Popstars.
Ein typisches Beispiel: „Oh – oh – oh – oh“ und ähnliche melodische Sequenzen tauchen in immer mehr Hits auf. Sie sagen nichts aus, harmonieren aber trotzdem mit dem Gesamtsong und fördern das „Mitsingen“. Hier ist auch die Gefahr von Plagiatsvorwürfen gering, denn wer kann bei „oh – oh und ah – ah“ sein Urheberrecht nachweisen? Der Whoop ist anspruchslos, schnell eingeflochten und kommt an. Er führt aber auch dazu, dass Hits immer weiter in der Versenkung der Eintönigkeit versinken.
Thematischer Einheitsbrei bei Pop-Songs keine Seltenheit
Nicht nur musikalisch, sondern auch in Sachen Text ist es mit Abwechslung nicht so weit her. Songwriter müssen Themen aussuchen, die bei der breiten Masse gut ankommen. Was würde da besser passen als Liebe & Beziehungen? Die meisten Menschen kennen Herzschmerz, das Gefühl der Verliebtheit oder auch Trennungsprobleme. Solche Themen im Hit verarbeitet, macht ihn zu einem Evergreen. Wer sucht sich nicht die alten „Schnulzen“ wieder raus, wenn er plötzlich unter Liebeskummer leidet?
Glück ist ebenfalls ein facettenreiches Thema, das beim Songwriting eine Rolle spielt. Dabei kann es sich um Liebesglück handeln, um generelles Glück und sogar um Glücksspiel. Letzteres allerdings eher selten, wobei heute viele Menschen im Onlinecasino Deutschland ihr Glück versuchen und dabei Songs wie Lady Gagas „Pokerface“ automatisch im Hinterkopf auftauchen.
Der Hit ist ein Paradebeispiel dafür, wie gut sich Themen mehrdeutig nutzen lassen. Bei Pokerface denkt jeder schon anhand des Videos an Glücksspiel. Tatsächlich soll Lady Gaga aber eigentlich auf das Glück der „Liebe“ angespielt haben.
Rebellischere Pop-Songs wenden sich von diesen Themen ab und setzen stattdessen auf „Rebellion“. „I want to break free“ von Queen ist das Paradebeispiel dafür, wenn Songs sich gegen Konventionen auflehnen. Aber auch Lady Gaga hat mit Born this Way eine Hymne der Selbstakzeptanz geschaffen und Alicia Keys ist mit Girl on Fire noch immer im Hinterkopf geblieben. Auch diese Thematik funktioniert, es muss also nicht immer nur Liebe sein.
Der grundlegende Aufbau des Pop-Songs ist immer gleich
Wir haben Akkorde, wir haben Themen und was kommt jetzt? Das Grundgerüst des Pop-Songs, bestehend aus Versen, Refrain, Bridge usw. Und auch hier zeigt sich auf den ersten Blick, dass es faktisch keine Abwechslung gibt. Die Wiederholungen sind immer gleich und damit so austauschbar geworden. Das trifft aber nicht nur auf Pop-Songs zu, auch in der Metallszene gibt es wenig Abweichungen beim Aufbau von Hits.
Das Ziel: Den Hörer emotional erreichen und die Melodie eingängig zu gestalten. Ob in Deutschland, den USA oder in jedem anderen Land – das Konzept bleibt gleich. Das immer wiederkehrende Muster besteht dann typischerweise aus Elementen, die alle eine bestimmte Funktion haben.
- Am Anfang steht das Intro: Der Anfangsteil des Hits kommt noch vor dem ersten Vers. Er setzt die Atmosphäre und führt bereits ins musikalische Thema ein.
- Es folgt der Vers: Verse sind Teile des Songs, die eine Geschichte erzählen oder die Kernaussage übermitteln. Meist gibt es mehrere Verse im Pop-Song, da die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Der Vers ist dazu da, emotionale Tiefe beim Hörer aufzubauen.
- Der Refrain geht ins Ohr: Der Chorus ist der wiederkehrende Songteil, der unmittelbar auf den Vers folgt. Er enthält die wichtigste Botschaft des Hits und ist der einprägsamste Teil. Er soll als emotionaler Höhepunkt fungieren.
- Die Bridge unterscheidet sich: Nach dem zweiten oder dritten Chorus kommt die Bridge und hebt sich vom Refrain und den Versen deutlich ab. Sie soll für Kontrast sorgen, um dann in einem Höhepunkt mit dem letzten Refrain zu enden.
Am Ende folgt das langsame Outro. In einer Zeit, in der über 100.000 neue Songs täglich auf Spotify hochgeladen werden, ist es bei all den Gemeinsamkeiten schwierig, keine vorhandenen Elemente zu „kopieren“. Folglich gab es bereits in der Vergangenheit häufig Plagiatsvorwürfe, von denen sich viele als unwahr herausstellten.
Noch mehr Massenspam und langweilige Musik durch KI?
Generative KI wie ChatGPT kann nicht nur Texte schreiben, sondern auch Musik erschaffen und komponieren. Zahlreiche Songwriter fürchten um ihre Jobs und auch Künstler selbst sind von KI nicht ausnahmslos begeistert.
Immerhin droht die Gefahr der Deepfakes, da künstliche Intelligenz Stimmen übernehmen und in melodische Konzepte einfügen kann. Es wird schwieriger werden, das Urheberrecht umzusetzen, vor allem aber wird die Massenproduktion von Hits noch einfacher. Schon kurz nach Entdeckung der Möglichkeiten landen immer mehr KI-Songs auf Spotify und YouTube, Tendenz steigend.
Hier lohnt sich ein Vergleich zum Buchmarkt, der ebenfalls durch KI-Werke geflutet wird. Am Ende wird sich aber eines bewiesen: So einfach es sein mag, Massenmedien zu produzieren, so schwierig ist es, einen einzigartigen und unverwechselbaren Song zu veröffentlichen. Künstler, denen das gelingt, dürften sich um ihre Karriere keine Sorgen machen müssen.